Edwin Ramirez nutzt die Kabarettbühne, um nach einem neuen „Daddy“ Ausschau zu halten. Ein außergewöhnlicher Abend im Rahmen des „steirischen herbst“ in Kooperation mit dem InTaKT Festival.
von Patrick Zündel
Anhand von fünf Beispielen – von Werner Herzog bis zum Arzt-Daddy – fragt Ramirez, wer denn nun perfekt als „Daddy“ sei. Dabei geht es Ramirez nicht zwangsläufig um einen Vaterersatz, vielmehr ist ein Mensch gemeint, der bedingungslos liebt und das Gegenüber so akzeptiert, wie es ist. Ramirez selbst beschreibt sich als queer und sitzt im Rollstuhl. Im Zentrum des Kabaretts, das am 10. und 11. Oktober im Forum Stadtpark stattfand, stehen Themen wie Identität, Zugehörigkeit und queeres Begehren jenseits normativer Körperbilder und Lebensentwürfe.
Die Performance berührt. So thematisiert Ramirez, geboren 1990, auch die Herausforderungen, denen Menschen mit Beeinträchtigungen begegnen, sowie persönliche Erfahrungen während der Covid-Lockdowns. In Erinnerung bleibt die Episode, in der Ramirez mit ein paar Freunden Space Cakes konsumiert und sich im Anschluss im Krankenhaus wiederfindet mit der Frage: „Ist es jetzt Corona oder bin ich einfach nur super-high?“. Auch Einblicke in das Liebes- und Sexualleben sowie auf die familiären Wurzeln gewährt Ramirez – wobei geschickt eine Brücke zwischen sehr persönlichen Geschichten und universellen Fragen, die sich wohl jeder Mensch irgendwann stellt, geschlagen wird. Unklar bleibt, was autobiografisch ist und was fiktional. Letztlich ist das jedoch zweitrangig; im Kabarett steht Unterhaltung ebenso im Vordergrund wie gesellschaftliche Reflexion.
Allgemein betrachtet ist es nicht die primäre Aufgabe des Genres Kabarett, das Publikum ständig zum Lachen bringen zu müssen. Kabarett ist nicht gleich ein Abfeuern von Pointen. Vielmehr ist es durchaus auch eine Kritik an der Gesellschaft und zugleich auch etwas, das zum Grübeln anregt und das geneigte Publikum letztlich sowohl mit einem lachenden Auge als auch mit einem nachdenklichen Blick auf die Welt, die während des Abends offengelegt wurde, entlässt.
So ist auch „Run Daddy Run“ kein klassisches Lachen-muss-Kabarett. Edwin Ramirez schafft es, die Balance zu halten zwischen Witz und gesellschaftlicher Kritik. Dabei ist es unerheblich, ob jede Pointe sitzt. Entscheidend ist die Wirkung der Performance und die Reflexion, die sie beim Publikum auslöst. Wichtig und prägnant ist dabei auch die Umsetzung: Ramirez arbeitet mit Powerpoint-Präsentationen und baut geschickt Audiodeskription in die Show ein, um das Programm auch Menschen mit Beeinträchtigungen näher bringen zu können.
Das Finale des Programms wartet schlussendlich mit einem Aha-Effekt für das Publikum auf, über den an dieser Stelle jedoch nichts weiter verraten werden soll. Wer das miterleben möchte, muss sich die Show schon selbst zu Gemüte führen. Edwin Ramirez beweist mit „Run Daddy Run“, dass Kabarett wesentlich mehr ist als Pointen und Lacher: Es ist Kunst, Reflexion und Unterhaltung in einem. Genau das macht diesen Abend zu einem besonderen Erlebnis.
